Zwölf Schülerinnen und Schüler der Feldberg- und Hochtaunusschule kehren von einem Jugendaustausch mit arabischen und jüdischen Israelis aus Gilboa zurück.
Wie lange müssen israelische Jugendliche zum Militär? Welche Konsequenz hat der Besuch in Yad Vashem für Sie persönlich? Beschreiben Sie tatsächliche oder empfundene Unterschiede zwischen jüdischen und arabischen Schulen im Bezirk Gilboa!
Solche und andere Fragen beinhalteten die täglichen Hausaufgaben, die gemeinsam mit den Gastfamilien oder durch eigene Überlegungen beantwortet werden sollen. Eine Woche hielten sich die zwölf Schülerinnen und Schüler der Hochtaunusschule und der Feldbergschule im israelischen Partnerlandkreis des Hochtaunuskreises Gilboa auf. Sie wohnten in arabischen und jüdischen Dörfern der Region Gilboa bei ihren Austauschpartnern, die sie im Oktober 2012 bei sich zu Hause beherbergt hatten. „Der direkte Kontakt durch Unternehmungen und Leben mit den Einheimischen ist für mich der wertvollste Aspekt dieser Reise“, findet Josephina (19), „ich will meinen Kindern später gerne auch solche Erfahrungen ermöglichen.“
Dass diese Erfahrungen durchaus nicht immer einfach waren, zeigte sich nicht nur die Erlebnisse der Schülerinnen und Schüler im Gastland selbst: „Schon im Oktober 2012 als unsere israelischen Freunde an unserem Nationalfeiertag für zehn Tage im Taunus waren, haben wir einen ersten Eindruck bekommen, wie groß die aktuellen Herausforderungen sind, die das gemeinsame Miteinander von arabischen und jüdischen Israelis mit sich bringt. Anknüpfend an den Fall der deutsch-deutschen Mauer diskutierten sie die Rolle der Mauer, die Israelis und Palästinenser trennt. Schade, dass sie als es temperamentvoll wurde, ins Hebräische übergingen und wir nichts mehr verstanden.“ In Israel besuchten die Jugendlichen an ihrem ersten Tag, dem Holocaust Gedenktag die Gedenkstätte Yad Vashem. „Sie erinnert uns einmal mehr an die Verantwortung die wir als Deutsche haben, dass der Umgang mit Minderheiten unabhängig von Aspekten wie beispielsweise Religion oder Herkunft nie zu einer Diskriminierung werden darf“, sagt Laura (19).
Beim Besuch einer jüdischen Schule am darauf folgenden Tag kommt es zum offenen Gedankenaustausch. „Zwei Jahre Militärdienst für Frauen und drei Jahre für Männer – das empfinden wir fast schon als Zeitverschwendung“ bekennt Schüler Enes (18) offen und ruft damit das Unverständnis der israelischen Jugendlichen hervor, für die dieser „Dienst am Heimatland“ offensichtlich nicht in Frage gestellt werden kann. Umgekehrt können die deutschen Schülerinnen und Schüler nicht verstehen, dass arabische und jüdische Israelis (abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen) nicht dieselben Schulen besuchen (dürfen oder können). „Die Begründung einer israelischen Schülerin, dass sie aufgrund der Religion ‚einfach anders‘ seien, hat mich nicht überzeugt“ erklärt Sophia (18) und erhält dafür zustimmendes Kopfnicken ihrer Schulkameraden. Sie findet es gut, dass ihr Schulkamerad Enes bereits in der Diskussion darauf hingewiesen hat, dass er als Moslem selbstverständlich an Schulen lernt, an denen die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielt.
Anne Schupp, Begleiterin des Hochtaunuskreises, äußert sich tief beeindruckt über die Neugier, die Offenheit und die Aufgeschlossenheit, mit der die Jugendlichen sich mit dem Bogen des poltischen Umgangs vom Holocaust zur aktuellen Fragestellungen auseinandersetzen: „Bei unserem Besuch in drei Schulen des Landkreises wurden tiefgründige Gespräche geführt. Fragen zum Holocaust wurden ebenso wie der Umgang mit dem Armeedienst oder der für die deutschen Schüler unverständlichen Trennung arabischer und jüdischer Schulen angesprochen.“ berichtet sie. Den Hauptgrund für die sehr Tiefe der Begegnungen sieht sie in der gründlichen Vorbereitung des Austauschs. Die israelischen jugendlichen haben sich mehrmals mit ihren Betreuern Schmulik und Devorah getroffen, die deutschen mehrmals mit den zuständigen Vertretern des Hochtaunuskreises sowie Lehrer Heiko Rohde.
Die Auseinandersetzung mit der Rolle von Nationalität, Religion und Tradition stellt eine besondere Herausforderung nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch deren Begleiter dar: „Ich selbst habe gelernt viele Dinge aus den unterschiedlichen Blinkwinkeln heraus zu betrachten“ bekennt auch Delegationsleiterin Anja Auth, Vorsitzende des Gilboa-Ausschusses des Hochtaunuskreises. „So wichtig die drei Aspekte Nationalität, Religion und Tradition auch sein mögen, so sehr führen sie am Beispiel Israel zu Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen. Die israelischen und deutschen Jugendlichen haben erkannt, dass Unterschiede aber stattdessen bereichern“, zeigt sich Lehrer Heiko Rohde zufrieden. „A dream has come true“, bestätigt auch der israelische Jugendbetreuer Schmulig, der das Austauschprogramm zum fünften Mal begleitet. Die in der Praxis gewonnenen Lernerfolge wollen die Schülerinnen und Schüler in beiden Schulen Oberursels im Politik-, Deutsch- oder Ethikunterricht an ihre Klassenkameraden weitergeben und zur Auseinandersetzung darüber anregen. „Außerdem werden wir bestimmt auch auf privater Ebene mit unseren Freunden vor Ort Kontakt halten und wieder hinfahren“, betont Enes (19). Und Anja Auth freut sich schon auf den nächsten Jugendaustausch.
„A dream has come true“ sagt Schmulig und freut sich mit den anderen Betreuern über den erfolgreichen Abschluss des
Jugendaustauschs zwischen Gilboa und dem Hochtaunuskreis 2012/13
Von links nach rechts: Schmuli (Gilboa), Anja Auth (Hochtaunuskreis), Heiko Rohde (Feldbergschule), Dvorah (Gilboa)
und Anja Schupp (Hochtaunuskreis)
Anlässlich der bevorstehenden Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag treffen sie Schüler_innen des Hochtaunuskreises
auch den Landrat von Gilboa Dani Atar (Bildmitte)
Weitere Programmpunkte:
- Besuch eines Kindergartengfestes im Kreis Gilboa
- Besuch des arabischen Heimatdorfes zweier Gastgeberfamilien mit Tanz- und Kulturvorführungen
- Besuch der alten Hafenstadt Accra
- Besichtigung eines Kibbuz‘
- Tagesausflug Nazareth
- Tag in den Gastfamilien
Rückfragen an
Anja Auth, Hochtaunuskreis; 06172-9999111
Heiko Rohde, Feldbergschule; 0170-4728439